E inige Gedanken anlässlich zum "El Fabi im neuen Kleide" - von Jaganaud im Oktober 2004

Liebe Besucher auf diesen Webseiten,

es sei eingangs einmal bemerkt, dass diese Zeilen eher für diejenigen von Interesse sein dürften, die in der "Materie Webaward" einigermaßen bewandert sind. Besucher die zum ersten Mal oder erst vor kurzen über diese seltsame Marotte von manchen Webmastern gestolpert sind, anderen Webprojekten - bzw. deren Webmastern - in Form einer kleinen Pixelgrafik und einem dazugehörigen Begleittext ihre Hochachtung auszudrücken… nun, ich beneide sie um ihre Unbefangenheit und vorurteilsfreie Neugier, so sie sich diese bis zum jetzigen Zeitpunkt noch bewahrt haben. So sie noch nicht erkennen mussten, dass Webawards in den vergangenen Jahren von vielen zu einem Vehikel verschiedenster Beweggründe gemacht wurden: eigener Ansehensgewinn war noch die harmloseste Eigenschaft, Einflussnahme und Ideologiedenken hingegen schon schwerwiegender. Offene Aggressionen und wechselseitige Anfeindungen, in einer heterogenen Gruppierung, genannt "Awardmaster-Szene", stellten und stellen auch heute noch die Spitze dar.

Ich habe diese Aktivitäten eines eng umrissenen Aktionisten-Zirkels basierend auf dem Vehikel Webaward über Jahre hinweg verfolgt, ja, war auch über lange Jahre hinweg Teil davon. Ein seltsames, komplexes, zwischenmenschliches Sozioexperiment mit Gruppierungen und Fraktionen, Feindbildern und Verbündeten, Kriegserklärungen und Waffenstillständen. Ein sich ewig drehendes Rad, ein Kreisel auf der Fläche eines riesigen, eng verwobenen Spielfeldes - ein Strategiespiel mit unklarem Anfang und offenem Ende.

Es hat 1999 keine Awardszene gegeben, es gibt sie auch 2004 nicht. Was aber vor fünf Jahren, als ich zum ersten Mal intensiver mit der Idee des Webawards in Berührung kam, noch nicht oder nur sehr rudimentär existierte, war dieses allumfassende strategische Spielfeld Awardiens, in welchem jede Award-Ressource, jeder im Foren-Diskurs aktive Awardmaster oder auch Poster eine bestimmte Rolle spielt, bewusst oder unbewusst. Diese nicht direkt spürbare und doch allgegenwärtige Kohäsionskraft, die wie die "Matrix" aus der gleichnamigen Trilogie alles durchdringt, alles umfängt, was sich innerhalb ihres vordefinierten Feldes befindet - die Award-Realität ist gänzlich gefangen in diesem multipolarem Konstrukt aus strategischen Positionen. Das einzige was in diesem Spiel heute keine Bedeutung mehr hat, ist dieses Objekt, welches dem Award-Strategie-Diskurs seinen Namen geliehen hat und noch heute leiht: der Web-Award.

Was ist ein Award? Eine Auszeichnung, eine Würdigung. Was hat er mit einem strategischen Positionierspiel und Ideologien zu tun? Was ist seine Verbindung zu ausgefeilten Diskursen, Analysen, Beschreibungen (wie dieser hier), Abhandlungen, Vorlagen und Richtlinien?

Die Antwort liegt auf der Hand: es gibt keine.


Zwei Optionen hatte ich, als ich mich im Spätsommer mit dem Gedanken über die Zukunft dieses meines Webawards, inzwischen vermutlich ein Relikt unter nur noch einer Handvoll aktiver Awardvergaben aus dem letzten Jahrhunderts, machte.

Den Award-Strategie-Diskurs hatte ich bereits seit einiger Zeit verlassen und dabei die Erfahrung gemacht, dass mir nichts dabei gefehlt hat, im Gegenteil. Erst als ich mit einem Klingen in den Ohren, gleichsam wie der Discobesucher, der beim Verlassen des Etablissements in die kühle Nacht hinausschreitet, diese Lokalitäten, die Spielhallen des Awardmaster-Diskurses verlassen hatte - ja erst da merkte ich, dass ich über all dem Geschrei fürr Jahre hinweg die eigentliche, ursprüngliche Intention, die ich mit der Awarderei einmal verfolgt hatte, diese leise, ruhige besinnliche Stimme, schlichtweg überhört hatte. Mir wurden verschiedene Dinge wieder bewusst, die es früher einmal gewesen waren, aber die mir entgangen waren.

Um zurück zu meinen zwei Optionen zu kommen: die eine wäre gewesen, den El Fabi Award zu schließen. "Awards an sich sind langweilig", habe ich einmal in irgendeinem Forum gesagt. "Und aus diesem Grund hat sich der Awardmaster die Awardmaster-Szene geschaffen, diesen multifunktionalen Überbau als virtuelle und echtzeitgesteuerte Soap Opera menschlicher Alltäglichkeit. Die Talkshow des Internet-Zeitalters, gespickt mit all den schönen Programm-Krachern aus dem "Sex'n'Crime" Genre, mit Bösewichtern und ehernen Rächern, mit Intrigen, Geheimbünden und dem kleinen Spritzer Paranoia abgeschmeckt." So ungefähr hätte ich fortgesetzt.

Aber aus der Disco war ich draußen. An der kühlen Nachluft war es still, das wilde Awardierleben tobte drinnen. Hier draußen war nur Ruhe… und Einsicht.

Awards an sich sind langweilig. Aber nur dann, wenn man irgendwann Blut geleckt hat und das erste Klötzchen im allumfassenden Spiel Award-Stratego hingeworfen bekommt, findet oder aktiv sucht. Dann freilich treten Awards in den Hintergrund. Sie sind ja nur Namensgeber, nur Aufhänger für das Spiel gewesen - dieser laute, dröhende Chor der Stimmen, die da aus den Diskussionplattformen derer Webseiten dringt, die sich heute "Award-Ressourcen" nennen.

Nun gut, einige dieser Ressourcen sind im Laufe der Jahre zusammengebrochen, andere in der Versenkung verschwunden - inaktive Bausteine eben. Das große Ganze indes tangiert das nicht. Ob es verschiedene Award-Projekte sind oder willkürlich definierte Gruppierungen wie so genannte "Newbies" und "Alte" sind, die man gegeneinander in Stellung bringt - letzten Endes bleibt das strategische Spiel erhalten - der Diskurs bleibt am Laufen, in der Disco spielt die Musik.

Sind Awards langweilig? Muss man, um sich mit diesem oft geschmähten, verlachten und angesichts der kuriosen Auswüchse des für Außenstehende unbegreiflichen Award-Stratego Spiels wirklich dem eigenen Awardprogramm vollständig entledigen, um wieder als "rehabilitiertes und geheiltes Mitglied des WWW" in andere Webbereiche vorzustoßen, um nicht die bange Frage gestellt zu bekommen: "Mann, geht's dir wieder besser? Man hat gehört du warst auf Awards? Soll schlimmer als Ecstasy sein, sei bloß froh dass du da wieder runterbekommen bist."

Ist diese Idee, dieses ganze Prinzip wirklich so kaputtdiskutiert und öffentlich ad absurdum geführt worden, dass man z.B. als gestandener Webentwickler einfach nicht mehr hergehen kann und sagen "also neben der Entwicklung von kommerziellen Webprojekten baue ich hin und wieder auch was privates - ja, so eine Awardvergabe ist da auch drunter."?

Tja, die Indizien für diesen Standpunkt sind massiert vorhanden. Und ich kenne genug Leute, die man als "gestandene Webentwickler" bezeichnen kann und die genau diesen Standpunkt konsequent zu Ende gedacht haben und sich weit und nochmals weit von dieser lärmenden Disco genannt Awardien entfernt haben.

Zu Recht.

Oder?


Kann es noch einen weiteren Weg geben? Kann man unter Umständen auch sagen "ich lasse euch ziehen, Genossen - und ich lasse die Spieler und Tänzer in ihrer Disco weiter ihre Runden auf der Foren-Tanzfläche drehen. Was ich nun tun werde, ist mein eigenes kleines Zelt am Rande eines Weges aufzuschlagen." Weit genug weg von Lärm der Disco, so dass ich nicht Gefahr Laufe, wieder einen Stratego-Trip einzuwerfen und rückfällig zu werden, aber auch nicht jenseits des Horizonts, wohin sich die anderen Mitstreiter vergangener Tage inzwischen aufgemacht haben - eine stressfreiere, ruhige und andersartige Welt.

Muss ich soweit gehen? Sind Awards langweilig? Wieso habe ich dann damit angefangen? Was war der Grundgedanke meines Tuns vor nunmehr über fünf Jahren? Kann ich dort nicht wieder hin? Und was brauche ich dazu? Indizes? Foren? Award-Diskurse? Regeln, Richtlinien, abgestimmte Vorgaben? Strategiepapiere, Rudeldenken oder Vorurteile gegen konträre Gruppen? Ethik-Konzepte, Feindbilder oder eine Kriterienliste?

Nein, zum Teufel, nichts von dem ist auch nur im Entferntesten notwendig, wenn ich einfach nur einem anderen Webmaster, einem denkenden, kreativen und fühlendem Individuum mit ein paar Worten und einer symbolischen Geste mitteilen möchte "Hey, deine Arbeit ist toll, lass' mich dir ein Lob aussprechen, dir meine Referenz erweisen." Muss ich ihn verbessern, ihn maßregeln, muss ich ihn gemäß eines oktroyierten Kriterienverschlags behandeln? Um Gottes Willen, nein. Alles was zählt ist diese Arbeit, diese geistige und kreative Leistung, sie steht im Mittelpunkt, und derjenige Mensch, dem dafür zu danken ist, dass sie existiert. Das ist es doch. Das ist Awarden. Ohne Alles andere, ohne jedes Drumherum. Alles was ich noch brauche sind zwei Augen, um das Ganze visuell zu verarbeiten. Kein Forum, kein Siegel, Lob braucht keine Betriebserlaubnis und kein Einverständnis eines imaginären Award-Knigge-Herausgebers.

Tut was ihr wollt. Diese Botschaft habe ich den Awardies vor Monaten in einem Interview in einem Awardforum gegeben. Ganz im Sinne des Auryns aus der Unendlichen Geschichte. Tut, was eurem wahren Willen entspricht. Und hier habe ich nun den Weg für meine zweite Option gefunden: den El Fabi offen zu lassen. In einem Zelt am Wegesrand. Auf halbem Wege zwischen der Award-Stratego-Disco und dem Horizont, hinter dem diejenigen Webmaster verschwunden sind, denen der Lärm auf der Tanzfläche ein für allemal zu schrill geworden ist. Gedacht als Würdigung für "außergewöhnliche" Webprojekte, und nichts anderes. Kein Vehikel zur Selbstbestätigung, kein chrompoliertes stromlinienförmiges Eliten-Webprojekt, in der die eigenen "Exklusivität" als Selbstzweck dient und das die Selbstbeweihräucherung des betreffenden Webmasters inszeniert. Dieser - meine Wenigkeit - muss sich nicht mit Hilfe eines überexklusiven Awards Anerkennung erarbeiten - er ist lange genug dabei um zu wissen, dass ein siegelbehangener Überaward nichts wirklich Erstrebeneswertes ist, und nichts auf das man irgendwie stolz sein kann oder sich etwas darauf einbilden - man hat in einem solchen Fall lediglich denjenigen vergessen, der eigentlich mal der Anlass des ganzen Spaßes war: der liebe, unbekannte Webmaster mit dem interessanten Webprojekt; der Bewerber oder spontan ausgezeichnete.

MetatroniC hin, WTA her… das macht es nicht aus, was ein Award wert ist. Was ist er denn wert? Doch immer nur das, was ein Awardvergeber mit ihm auszudrücken vermag. Und hier kann ein ehrlich gemeinter, mit warmen Worten verliehener Award eines so genannten "Newbies" (ein Terminus, den ich ungern gebrauche) 1000x mehr wert sein als die kühle und distanzierte "Würdigung" des scheinbar hohen Award-Tiers, der das ganze vielleicht nur noch herablassend als "gönnerhafte" Aktivität ohne jede wirkliche Anteilnahme praktiziert.

Nun denn, ich habe mich entschieden. Der El Fabi Award bleibt bestehen, und sein Webmaster bleibt zumindest in losem Kontakt mit der Award-Disco - auf Hörweite eben, und vielleicht um den einen oder anderen in der Nähe des eigenen Zeltes zu begrüßen; ob er oder sie nun aus den Türen des großen Stratego-Etablissements oder auch von den Hügeln jenseits des Award-Horizonts wieder zu ihm stößt.

Fabian Lorenzen, im Oktober 2004


Seitenanfang Nach oben