Die Anfänge der Dampfschiffahrt auf hoher See
ls im August des Jahres 1831 die
Royal Willam ihre ersten Probefahrten auf
dem St.-Lorenz Strom in Kanada absolvierte, hatte noch keiner der Zeitzeugen absehen
können, dass in späteren Jahren einmal Schiffe wie dieses, ausgerüstet also mit Dampfmaschinenantrieb binnen weniger Jahrzehnte den
transatlantischen Verkehr revolutionieren und die Alte und Neue Welt aneinander binden sollten wie nie zuvor in
der Geschichte. Gewiss, der Anfang war in der Tat unscheinbar, und kaum etwas hatte die
Royal William mit den
späteren schwimmenden Palästen, die rund ein halbes Jahrhundert später die Ozeane überqueren sollten, gemein.
Bis auf den unauffälligen Schornstein unterschied das Schiff eigentlich nichts von einem gewöhnlichen Schoner, wie sie
zu dieser Zeit zu Tausenden über die Weltmeere segelten und das Rückgrad des trankontinentalen Seeverkehrs bildeten. Darüber hinaus war die
neue Technik noch überaus anfällig und unzuverlässig. Noch nie zuvor hatte aus diesem Grund ein Schiff bisher je versucht, von Amerika nach Europa
ohne den Einsatz von Windkraft zu fahren. Zwar hatte es zuvor schon Versuche gegeben, Segelschiffe zusätzlich zu ihren Segeln
mit einer Dampfmaschine auszurüsten, und im Jahr 1819 hatte mit der amerikanischen
Savannah ein solches Schiff auch schon den Atlantik überquert,
jedoch setzte sie ihre zusätzliche Dampfmaschine dabei nur auf einer sehr geringen Teilstrecke
der Gesamtdistanz ein. Es erschien undenkbar, mittels Dampfantrieb die tausende Kilometer Distanz zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Festland zu überwinden. Bis zum Jahre 1833, als die Eigner der
Royal William sich aus purer finanzieller Not entschlossen, das unrentable Schiff, das ursprünglich eigentlich nur
auf kurzen Strecken entlang der kanadischen Küste eingesetzt werden sollte, nach Großbritannien zu überführen in der Hoffnung, es dort auf dem Londoner Schiffsmarkt abzustoßen.
Die erste - und einzige - Atlantiküberquerung der
Royal William war ein mittleres Abenteuer, denn nicht nur geriet sie vor Neufundland in ein
schweres Unwetter, verlor dabei Teile der Takelage und schlug leck, sondern auch die Maschinen bereiteten fortlaufend Probleme, eine fiel zweitweise aus, die Kessel leckten und alle vier Tage musste das Schiff mehrere Stunden die Maschinen abstellen, damit die Mannschaft Salzverkrustungen an den Kesseln entfernen konnte.
Rund drei Wochen nach der Abfahrt lief das schwer angeschlagene Schiff die Isle of Wright an, wo die ärgsten Schäden beseitigt wurden, so dass das Schiff vier Tage später
doch wohlbehalten im Londoner Hafen anlangte. Niemand nahm von dem Ereignis groß Notiz, und doch war es ein denkwürdiges Ereignis, denn die
Royal William hatte als erstes Schiff den Atlantik zum größten
Teil mit Dampftkraft überquert, binnen dreieinhalb Wochen und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 4 Knoten. Sie sollte den Ozean kein zweites Mal überqueren und auch sonst kein
sonderlich ruhmreiches Schicksal mehr haben. Denn obwohl der Plan der Eigner aufging, und sie das Schiff sogar für rund das Doppelte des Einkaufspreises abstoßen konnten, tat es doch nur noch drei Jahre Dienst in der
spanischen Marine, bis man feststellte, dass das Spantenwerk des Schiffes morsch war, woraufhin es dem Verfall preisgegeben wurde.
Die Karriere der
Royal William als Atlantikdampfer war kurz, aber der Anfang war gemacht. Einer der ersten Aktionäre der
Royal Willam war Samuel Cunard, der Begründer der wohl berühmtesten aller Transatlantik-Reedereien, der Cunard Line.
Cunard, 1787 geboren, hatte bereits um 1812 eine beachtliche Segelschiff-Flotte aufgebaut und mehrte sein Vermögen weiter. Um die Zeit der Atlantiküberquerung der
Royal William war er längst ein gemachter Mann und hätte sich beruhigt auf sein Altenteil zurückziehen können, doch die Idee, mit Hilfe von Dampfkraft
Schifffahrtslinien aufbauen zu können, die windunabhängig irgendwann vielleicht einmal mit der Pünktlichkeit von Eisenbahnzügen würden verkehren können, faszinierte ihn.
Er erkannte rasch das enorme Potential, das der geregelte Transatlantikverkehr wie auch die Technik des Dampfantriebes beinhalteten. So war er bei der Gründung der ersten transatlantischen Dampfschiffahrtslinie 1839, sechs Jahre nach der Pioniertat der
Royal William, entscheidend beteiligt. Ein weiteres Jahr später war es dann soweit. Das erste
extra für eine Atlantiküberquerung konzipierte Dampfschiff, die
Britannia, lief am 4. Juli 1840 mit rund 50 Passagieren zu ihrer Jungfernfahrt von Liverpool nach Halifax aus. Die Überfahrt war ein Erfolg, sie brauchte für die Überquerung
des Atlantiks lediglich 13 Tage und wurde, nachdem sie von Halifax aus weiter nach Boston gefahren wurde, dort von einer Vielzahl begeisterter Menschen empfangen. Der große Erfolg der
Britannia ermutigte Cunard, der
Britannia binnen kurzer Zeit drei Schwesterschiffe an die Seite zu stellen, die im Laufe dieses und des folgenden Jahres
immerhin 40 Atlantiküberquerungen ohne nennenswerte Zwischenfälle machten.
Die transatlantische Dampfschifffahrt hatte sich das Prädikat "Zuverlässigkeit" erworben. Jedoch, von Annehmlichkeiten
auf der Reise konnte bislang noch weniger die Rede sein; kein Vergleich zu späterem verschwenderischem Luxus war die spartanische Ausstattung dieser ersten Ozean"liner", und entsprechend vernichtend fiel beispielsweise auch das Urteil des Schriftstellers Charles Dickens in Bezug auf
den Reisekomfort aus.
Er hatte zwei Jahre nach ihrer Jungfernfahrt mit der
Britannia den Atlantik überquert und klagte etwa über die Ausmaße seiner Kabine, dass er darin sein Gepäck ebenso leicht verstauen könne "wie eine Giraffe in einem Blumentopf", während ihm der Speisesaal vorkam wie ein "gigantischer Leichenwagen mit Fenstern".
Doch mochte der Komfort auf den neuen Atlantikdampfern noch so unbequem sein, und wenngleich um 1845 noch auf jeden Dampfer rund 150 Segelschiffe entfielen, so war doch klar, dass den Dampfschiffen
auf lange Sicht die Zukunft gehören würde. Sie waren nicht wie die Passagier-Klipper von den Windverhältnissen abhängig und wurden zudem bei der rasch ansteigenden Leistungsfähigkeit der Maschinen immer schneller und auch zuverlässiger. Das Dampfzeitalter hatte nun auch die Weltmeere erreicht.
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