Die Bremen - das Comeback der deutschen Schnelldampfer
it der Kapitulation der Deutschen im Ersten Weltkrieg 1918 war neben dem Ende des Kaiserreiches auch der abrupte Verlust der Spitzenstellung des Reiches im Bereich der Transatlantik-Passagierschifffahrt eingetreten. Die deutschen Reedereien, allen voran die HAPAG, mussten im Zuge der alliierten Reparationsforderungen den Verlust ihrer Flaggschiffe verkraften. Sowohl die
Vaterland wie auch deren Schwesterschiff Imperator und die noch im Bau befindliche
Bismarck mussten den alliierten Siegermächten ausgehändigt werden: erstere ging an die Vereinigten Staaten und tat fortan unter dem Namen
Leviathan ihren Dienst, während letztere an Großbritannien fielen, wo sie als
Berengaria und
Majestic für die Reedereien Cunard bzw. White Star fuhren.
Den Deutschen blieb von ihrer eindrucksvollen Schnelldampfer-Familie nichts als die mittlerweile überholte
Deutschland, die mit den modernen Dampfern auf der Transatlantik-Strecke nicht mehr konkurrieren konnte. In der Zwischenzeit hatte Deutschland jedoch andere Sorgen: der verlorene Krieg, die politischen Wirren zum Ende der Kaiserzeit und die Anfangsprobleme der jungen deutschen Republik
mit Wirtschaftskrise und Hyperinflation gewährten keine Zeit bzw. Notwendigkeit, an die glanzvollen Vorkriegszeiten auf See anzuknüpfen.
Erst gut ein Jahrzehnt nach dem Ende des Krieges, gewissermaßen als krönender Abschluss der legendären "Goldenen Zwanziger", sollten wieder deutsche
Passagierdampfer eine Spitzenstellung auf dem heiß umkämpften Transatlanik-Markt zurückerobern. Ein spätes Comeback, aber dafür eines mit Nachdruck, welches durch die beiden "Windhunde des Atlantiks", die Dampfer
Bremen und
Europa des Norddeutschen Lloyds ermöglicht wurde.
Im Jahre 1928 begannen die Arbeiten an den neuen Linern, die
Europa wurde in Hamburg auf Kiel gelegt, ihr Schwesterschiff in Bremen, dessen Namen sie auch tragen sollte. Von beiden Schiffen sollte die
Europa eigentlich als erstes für die Atlantiküberquerung bereit sein, allerdings brach kurz vor der Fertigstellung der
Europa ein schweres Feuer an Bord aus; der Liner brannte aus und lief an seiner Anlegestelle auf Grund, was seine Fertigstellung um Monate verzögern sollte.
Daher war es die
Bremen, die im Jahre 1929 als erste der beiden Schwestern ins Rennen um die Passagiere von und nach Amerika gehen sollte. Von Anfang an war sie ein Schiff, das ein neues Zeitalter versinnbildlichte. Viele Innovationen waren beim Bau der
Bremen zum Zuge gekommen, was sich sowohl in ihrem Erscheinungsbild wie auch in ihren technischen Spezifikationen und der Einrichtung niederschlug.
Obwohl der Rumpf im Vergleich zu bisherigen Linern
verhältnismäßig breit geraten war, machte das Schiff einen ausgesprochen stromlinienförmigen und eleganten Eindruck. Allein die Silhouette vermittelte ein Gefühl von Schnelligkeit und Geschwindigkeit, was auch durch die extrem niedrig gehaltenen beiden Schornsteine erreicht wurde. Allerdings bewährten sich diese im regulären Einsatz nicht, weil die oberen Decks oft zu stark den Abgasen ausgesetzt waren, und so wurden die Schornsteine bald durch zwei erhöhte Exemplare ersetzt. Nichtsdestotrotz wurde die
Bremen dem durch ihr windschnittiges Aussehen gegebenen Versprechen in punkto Geschwindigkeit auch im tatsächlichen Einsatz gerecht.
Von vornherein darauf ausgelegt, endlich für die Deutschen das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung zurückzuerobern, welches nun schon seit über 20 Jahren die britische
Mauretania mit ihrer Rekordfahrt von 1907 hielt, unterbot die
Bremen die Bestzeit der
Mauretania bereits auf ihrer Jungfernfahrt um mehrere Stunden.
Auch wenn die alterwürdige
Mauretania einige Zeit später noch einmal den Versuch unternahm, den Titel zurück zu gewinnen und dabei ihre alte Bestmarke um mehr als fünf Stunden unterbot, reichte es gegen die deutsche
Bremen nicht mehr, diese hatte einfach die modernere Rumpfkonstruktion und verfügte darüber hinaus über die seinerzeit stärksten Turbinen: die vier Triebwerke erbrachten zusammen rund 130.000 PS, die stärkste Leistung eines Liners in diesen Tagen, und nur erreicht von ihrem einige Monate später in See stechenden Schwesterschiff
Europa, mit dem sich die
Bremen in den folgenden Jahren einen schwesterlichen Kampf um das Blaue Band liefern sollte.
Rasch entwickelten sich die
Bremen und die
Europa zu sehr beliebten Schiffen auf der Nordatlantikpassage, und knüpften damit erfolgreich an die goldene Zeit der deutschen Liner vor dem ersten Weltkrieg an.
Die Tatsache, dass die
Bremen das Blaue Band im Jahre 1933 an die italienische
Rex verlor, tat dabei der Beliebtheit der beiden eleganten Riesen keinen Abbruch.
1939 jedoch sollte die aktive Zeit der
Bremen und der
Europa als zivile Passagierdampfer ein jähes Ende nehmen. In den Jahren nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatten die Liner auch zunehmend politische Flüchtlinge und jüdische Bürger über den Atlantik gebracht, die die düsteren Zeichen der Zeit bereits früh richtig zu deuten wussten und Nazi-Deutschland den Rücken kehrten. Je akuter darüber hinaus im Jahre 1939 die Kriegsgefahr in Europa im Zuge von Hitlers aggressiver Expansionspolitik wurde, desto mehr nutzten ausländische Bürger die Möglichkeit, den Krisenherd Europa zu verlassen. Entsprechend war die
Bremen am 22. August des Jahres 1939 voll besetzt, als sie von Bremerhaven aus die Fahrt in Richtung New York antrat. Es waren keinesfalls mehr die Zeiten, sich gefahrlos im Deutschen Reich aufzuhalten, es war offensichtlich, dass ein Krieg nur noch eine Frage von Tagen sein konnte.
In New York angekommen, nahm die
Bremen für die Rückfahrt keine Passagiere mehr auf; statt dessen hatte ihr Kapitän die Anweisung erhalten, in möglichst kurzer Zeit wieder die Heimreise anzutreten, um nicht bei einem bis dahin ausgebrochenen Konflikt von britischen Kriegsschiffen aufgebracht zu werden. Jedoch wurde die Abfahrt der
Bremen durch die US-Behörden verzögert,
die den Liner nach eventuell versteckten Waffen durchsuchten. Am 30. August 1939 wurde der
Bremen endlich das Auslaufen erlaubt. Nur wenige Stunden danach, in den frühen Morgenstunden des 1. September schließlich beginnt mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die
Bremen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf hoher See befindet, musste nun fürchten, von den Kriegsschiffen der Briten, die Hitler-Deutschland am 3. September auch offiziell den Krieg erklärten, aufgebracht und beschlagnahmt zu werden, was eine reguläre Heimkehr nach Bremerhaven unmöglich machte. Statt dessen schlug sich das Schiff in einer waghalsigen Aktion nach Richtung Norden durch, schüttelte einen zu ihrer Verfolgung abgestellten britischen Kreuzer ab, und schlich sich, vollständig verdunkelt, im Zickzackkurs fahrend sowie jede Nebelbank als Deckung nutzend über die britischen Inseln hinweg bis zur sowjetischen Halbinsel Murmansk. Dort legte die
Bremen, welcher man auf der abenteuerlichen Rückfahrt sukzessive einen grauen Tarnanstrich verpasst hatte, am 6. September 1939 schließlich wohlbehalten an. Sie blieb rund drei Monate in Murmansk, bis schließlich Anfang Dezember der Befehl zur Rückkehr nach Bremerhaven einging. Erneut musste der Ozeandampfer eine riskante Odyssee auf sich nehmen, dicht an der norwegischen Küste entlang tastete sich das Schiff vorsichtig nach Süden vor und hatte vor allem an der Südküste Norwegens, in von den Briten kontrollierten Gewässern immer wieder nach ihr suchenden Kriegsschiffen und U-Booten auszuweichen, die sie aufbringen bzw. versenken sollten. Die
Bremen konnte jedoch entkommen und lief am 13. Dezember 1939
endlich wieder in ihren Heimathafen ein, wo sie neben ihrem Schwesterschiff
Europa festmachte, das Bremerhaven vor dem unmittelbaren Kriegsbeginn erst gar nicht mehr verlassen hatte.
In der Folgezeit hatte das Nazi-Regime verschiedene Pläne mit den beiden Lloyd-Linern. Zunächst wurden sie als Wohnschiffe genutzt und sollten danach für die geplante Invasion Englands zum Materialtransporter umgebaut werden. Dies wurde jedoch nicht realisiert, da die Konstruktion der Liner sich für solche Zwecke als nicht geeignet erwies. Somit blieben die Dampfer als Wohnschiffe in Bremerhaven stationiert.
Am 16. März 1941 schließlich ereilte die
Bremen ihr jähes Ende in Form eines vorsätzlich gelegten Schiffbrandes. Ein Schiffsjunge, der sich von einem Matrosen herablassend und ungerecht behandelt gefühlt hatte, hatte aus Wut darüber ein Feuer im Laderaum gelegt, wohl mit dem Gedanken,
die Mannschaft "ein wenig auf Trab zu bringen". Jedoch geriet das Feuer völlig außer Kontrolle, und die völlig unvorbereitete Feuerwehr besaß keine Mittel, den Brand einzudämmen, der sich unkontrolliert über das ganze Schiff ausbreitete. Zwei Tage lang stand die
Bremen in Flammen. Als das Inferno endlich vorüber war, zeigte sich, dass das Feuer den Schiffskörper zu sehr beschädigt hatte, um das Schiff in angemessener Zeit wieder instand zu setzen. Der Dampfer wurde als Totalverlust abgeschrieben, und der Brandstifter erfuhr eine drakonische Strafe: er wurde vor ein Kriegsgericht gestellt (weil die
Bremen unter der Oberhoheit der Marine stand) und für sein Vergehen mit dem Tode bestraft.
Damit war das Ende der
Bremen gekommen. Sie wurde an Ort und Stelle nach und nach abgewrackt, um aus dem Rumpf für die Kriegswirtschaft dringend benötigten Stahl zu gewinnen. Das einst stolze Schiff wurde für den Wahn vom deutschen Endsieg restlos ausgeschlachtet, die nicht verwertbaren Überreste blieben bis Kriegsende an der Liegestelle. Erst 1946 wurden die Überbleibsel des Liners, der einst mit seiner Rückeroberung des Blauen Bandes für Deutschland für Begeisterung gesorgt hatte, endgültig abgewrackt.
Die
Bremen erlitt damit das deutlich traurigere Schicksal der beiden "Windhunde des Atlantiks". Ihr Schwesterschiff, die
Europa, überstand die Wirren des Krieges, wenngleich in denkbar schlechtem Zustand. Dennoch durfte sie, als Reparation abgegeben an die Franzosen, die sie wieder instand setzten und in
Liberté umtauften, nach einer von mehreren Pannen und Missgeschicken unterbrochenen Umbauphase wieder ihrem ursprünglichen Zweck dienen. Von 1950 bis 1961 fuhr die
Liberté auf der Linie Le Havre - New York, bis auch sie außer Dienst gestellt und letztlich 1962 abgewrackt wurde.
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